Nebenwirkungen
Verwirrtheit durch Medikamente?
Wenn alte Menschen plötzlich durcheinander und vergesslich sind, können Medikamente dahinterstecken
An manchen Tagen ist Werner S. ganz klar im Kopf, unterhält sich angeregt mit seiner Familie und erzählt Witze. Doch manchmal ist der 81-Jährige kaum ansprechbar, wirkt unruhig und ängstlich. Am schlimmsten ist es, wenn er seine entwässernden Tabletten genommen hat.
Halluzinationen sind nicht selten
Wegen seiner Herzschwäche benötigt S. Diuretika – Medikamente, die die Harnausscheidung fördern. Dazu kommen Blutdruck- und Cholesterinsenker, Antidepressiva und Beruhigungsmittel. Manche Medikamente beeinträchtigen bei älteren Menschen die geistige Leistungsfähigkeit und können zu Verwirrtheit bis hin zum Delir führen. Die Gefahr ist umso größer, je mehr Arzneimittel der Patient einnehmen muss.
Im Delir sind die Betroffenen orientierungslos, ängstlich oder aggressiv. Bewusstsein und Wahrnehmung sind getrübt, Halluzinationen keine Seltenheit. Wenn Angehörigen so etwas auffällt, sollten sie sofort den Arzt informieren. Das Delir erhöht zudem die Sturzgefahr.
Ältere Menschen sind anfälliger für Nebenwirkungen: Wegen der eingeschränkten Nierenfunktion scheiden sie Arzneimittel oft langsamer aus. Wenn die Blutspiegel ansteigen, führt das zu starken Nebenwirkungen. Außerdem reagiert das alternde Gehirn empfindlicher auf störende Einflüsse.
Für Senioren ungeeignet
Die Priscus-Liste nennt die für ältere Menschen ungeeigneten Arzneimittel und empfiehlt geeignetere Alternativen. Besonders problematisch sind Arzneistoffe mit anticholinergen Eigenschaften: Sie hemmen die Wirkung des Botenstoffs Acetylcholin, der für reibungslose Abläufe im Gehirn sorgt. Viele Medikamente haben ein anticholinerges Potenzial, etwa Wirkstoffe zur Behandlung bestimmter Inkontinenz-Formen, einige Antidepressiva oder ausgewählte Antiallergika. Ihre Wirkung kann sich addieren und zu akuter Verwirrtheit führen. Demente reagieren noch empfindlicher auf diese Medikamente und geraten schneller ins Delir.
Beruhigungs- und starke Schmerzmittel können ebenso zu geistigen Problemen führen wie große Flüssigkeits- und Mineralstoffverluste. Wenn ein Patient entwässernde Medikamente nimmt und zudem eine Infektion oder Durchfall bekommt, ist die Gefahr besonders hoch. Die Angehörigen müssen deshalb darauf achten, dass ältere Menschen ausreichend trinken.
Wenn Senioren durch plötzliche Verwirrtheit auffallen, lohnt ein Blick auf ihre Medikamente. Apotheker erfassen die Arzneien ihrer Kunden häufig in einem Medikationsplan und halten bei Schwierigkeiten Rücksprache mit dem Arzt. Werden problematische Mittel ausgetauscht oder wird die Dosis verringert, verschwinden die Symptome meist. Bei alten Menschen muss man stets individuell entscheiden, welche Arzneimittel wirklich nötig sind und was man weglassen oder durch eine nichtmedikamentöse Behandlung ersetzen kann. Auf keinen Fall aber dürfen Medikamente eigenmächtig abgesetzt werden.
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